14 Jan Unser täglich Brot backen
Ernährung: Sebastian Scheitinger führt eine der letzten Bäckereien in der Gegend. Die MZ sprach mit ihm über Mehl und mehr.
Sebastian Scheitinger aus Dieterskirchen ist einer der letzten seiner Art. Er betreibt als Selbstständiger einen Handwerksbetrieb, konkret eine Bäckerei. In seinem Stammgeschäft in Dieterskirchen oder den beiden Filialen in Neunburg und Oberviechtach hat nahezu jeder aus der Region schon einmal beim Einkaufen den unwiderstehlichen Duft von frischem Brot in der Nase gehabt. Sebastian Scheitinger versorgt die Bevölkerung auch mit Semmeln, und leckeren Kuchen. Neben den Bäckereien Irl, Schmidt, Weigl und Welnhofer gehört er zu den letzten fünf verbliebenen Bäcker-Handwerksbetrieben im Raum zwischen Neunburg, Oberviechtach und Rötz. Noch in den 60er und 70er-Jahren habe es allein in Neunburg rund elf Bäckereien gegeben, erinnert sich der 87-jährige Seniorchef Lorenz.
Mehl wurde 20 Prozent teurer. Die MZ sprach mit dessen Sohn Sebastian über die Entwicklung seines Berufsstands und die Folgen der Dürre dieses Sommers für einen Lebensmittel produzierenden Betrieb. Denn auch bei Getreide gab es in der Region Ernteausfälle. „Der Preis für den Rohstoff Mehl ist um 20 Prozent gestiegen. Und unser Betrieb ist zu klein, um die Kostensteigerung aufzufangen“, räumt Scheitinger unverblümt ein. Also müsse man die Kosten an die Verbraucher weitergeben. Das schließe auch die Lohnsteigerungen mit ein, denn auf seine 28 Mitarbeiter, darunter acht Bäcker und einige Teilzeitkräfte, könne er nicht verzichten. Die MZ traf ihn an einem Nachmittag. Denn wer, wie er, täglich zwischen 1 Uhr und 1. 30 Uhr anfängt zu arbeiten, muss morgens, wenn die Kunden ab 6 Uhr Brot und Semmeln kaufen, ein paar Stunden schlafen. Auf dem Weg von Laden ins Büro passieren wir einen Flur. Dort hängen die fotografierten Konterfeis der Bäckerdynastie gerahmt an der Wand. 1890 von seinem Urgroßvater Lorenz gegründet, wechselten die Namen in der nächsten Generation zu Sebastian und wieder zurück zu Lorenz. Aktuell ist Sebastian an der Reihe. Mal sehen, ob sein Sohn Lorenz den Betrieb übernehmen wird. Ursprünglich betrieben die Scheitingers zusätzlich noch eine Landwirtschaft und eine Gaststätte. Doch das hat Sebastians Vater Lorenz bereits in den 60er Jahren aufgegeben. Die Arbeit wurde einfach zu viel. „Ein 18 Stunden-Tag ist bis dahin keine Seltenheit gewesen“, erinnert sich der Senior. Das Rohstofflager der Bäckerei Scheitinger fast in drei Silos jeweils drei Tonnen Mehl, insgesamt neun Tonnen. Zwei Silos werden mit weißem Weizenmehl und eines mit grauem Dinkelmehl befüllt. Etwa alle zwei Wochen kommt ein Silozug. Für die Beschaffung ist der 87-jährige Seniorchef zuständig. Eingekauft wird regional. Das Roggenmehl (ca. 80 Tonnen pro Jahr) kommt von der Ecklmühle, Weizenmehl von Dorfner bei Straubing und Poschenrieder bei Regensburg (ca. 110 Tonnen pro Jahr). Das Dinkelmehl von den Vereinigten Kunstmühlen aus Landshut.
Bei den Kürbiskernen fürs Körnerbrot schwört Sebastian Scheitinger auf Qualität aus Österreich, obwohl diese wesentlich teurer als die von der Bäko angebotenen seien, die aus China stammen würden. Brot und Semmeln sind auch das Erste, was in der Backstube bearbeitet wird, während die Kunden noch tief schlafen. Es folgen die Teiglinge, die für den nächsten Tag gekühlt werden. Sie brauchen einige Zeit um Geschmack zu entwickeln, erklärt der 52-Jährige. Mit 15 hatte er seine Bäckerlehre begonnen. Da hat er genügend Zeit gehabt, seinen eigenen Rhythmus für die gewöhnungsbedürftigen Arbeitszeiten zu finden.
Wachsen oder reduzieren. Was die Zukunft betrifft, so sieht er mehrere Trends. Zum einen wachse zwar das Interesse an regionalen Food-Produkten demgegenüber stünden die Bäcker seit einigen Jahren aber auch mit Supermarktketten in hartem Wettbewerb. Auch der Fachkräftemangel schlage durch. Auf lange Sicht gebe es da eigentlich nur zwei Auswege: wachsen oder irgendwann die Öffnungszeiten reduzieren. Denn ein handwerklicher Betrieb von Scheitingers Größe könne das personelle Manko, das nach und nach entstehe, nicht maschinell kompensieren. Was den Trend hin zu Bio-Produkten betrifft, so sei dies auf dem Land noch nicht so stark angekommen. Die Bio-Schiene sei allerdings auch bei der Herstellung zeitaufwendiger, schon allein deshalb, weil die Dokumentationspflichten umfangreicher seien. Was die Getreidesorten betreffe, so seien diese heute auf mehr Kleber und Eiweiß hin gezüchtet. Dies wirke sich positiv auf das Aussehen der Produkte aus. Andererseits sei es den Landshuter Kunstmühlen gelungen, eine Weizensorte von der Eiweißstruktur her auf das Urgetreide zurück zu züchten. Dies sei für Menschen, die unter einer Getreideunverträglichkeit litten, durchaus eine Alternative, berichtet Scheitinger.
30 Meter für einen sozialen Zweck
Aktionen: Sebastian Scheitinger ist auch für sein Engagement in Zusammenarbeit mit dem Verein der Neunburger Selbstständigen bekannt. Der Verein bezahlt die Zutaten, Scheitinger bäckt. Der Erlös ist jeweils für einen sozialen Zweck bestimmt.
Advent: Für den Weihnachtsmarkt bäckt er seit Jahren mit 30 Kilo Butter einen 30 Meter langen Christstollen.
Ostern: Für den Ostermarkt fertigt er dann einen Quarkschmierkuchen mit Zwetschgenfüllung.
Quelle: Mittelbayerische Zeitung am Donnerstag, 10. Januar 2019